Experteninterview zum Tag der gesunden Ernährung mit Uwe Knop
Herr Knop, neueren Forschungen zufolge soll pflanzliches Eiweiß gesünder sein als tierisches. Wie vorsichtig sollte man mit solchen Studien sein?
Uwe Knop: „Mit solchen Studien sollte man genauso vorsichtig sein wie mit allen Ernährungsstudien: am besten darüber schmunzeln und sich nicht davon verrückt machen lassen. Denn Ernährungsforschung basiert in der Regel auf Beobachtungsstudien, die niemals Beweise für Ursache-Wirkungs-Beziehungen (Kausalitäten) liefern, sondern nur statistische Zusammenhänge (Korrelationen). Daraus lassen sich allerhöchstens vage Hypothesen ableiten, die jedoch nie in klinischer Forschung überprüft werden können – weil die Ökotrophologie (Ernährungswissenschaft) das nicht leisten kann. Wir befinden uns eher auf dem Niveau modernen Glaskugellesens.“
Der „Tag der gesunden Ernährung“ soll die auf die Wichtigkeit gesunder Ernährung aufmerksam machen. Wie sieht diese Ihrer Meinung nach aus?
Uwe Knop: „Der „Tag der gesunden Ernährung“ ist ein Paradebeispiel für das Wort des Jahres 2016: postfaktisch. Denn hier dominiert Glaube und „gefühlte Realität“ über Evidenz, Wissen und gesicherte Fakten. Die Forschung konnte bis dato keine Beweise für gesunde Ernährung liefern und wird diese aufgrund der zahlreichen Systemlimitierungen (z.B. Korrelationen statt Kausalitäten oder ein Datenfundament, das auf unüberprüfbaren Eigenangaben der Probanden basiert) auch nicht liefern können. Wenn also niemand weiß, was gesunde Ernährung sein soll, wie kann man da einen „Tag der gesunden Ernährung“ zelebrieren? Das ist Quatsch. Außer jeder genießt diesen Tag für sich selbst, denn: Es gibt so viele gesunde Ernährungen, wie es Menschen gibt, weil jeder Mensch anders is(s)t. Essen ist absolut individuell, hier sollte jeder seinen eigenen, ganz persönlichen Weg finden. Die Wissenschaft hilft dabei nicht, sie hindert eher, weil sie „ernährungssensible“ Bürger mit ihrem sich ständig widersprechenden Halbwissen verunsichert.“
In Ihrem Buch „Ernährungswahn – Warum wir keine Angst vorm Essen haben müssen“ sprechen Sie von kulinarischer Körperintelligenz. Was genau meinen Sie damit?
Uwe Knop: „Die Kulinarische Körperintelligenz ist eine Begriffskreation, die das stets absolut individuelle Wissen des eigenen Köpers zum Wert von Nahrung beschreibt. Warum schmeckt Ihnen etwas, warum mögen Sie andere Lebensmittel nicht? Weil Ihr Körper die Nahrung kennt und einzuschätzen weiß. Für die Existenz der Kulinarischen Körperintelligenz liegt natürlich genauso wenig ein wissenschaftlicher Beweis vor wie für alles in der Ernährungsforschung. Dieser Begriff ist ein Appell an den gesunden Menschenverstand, denn: Wer außer Ihrem Körper sollte wissen, was für Sie persönlich gute und gesunde Ernährung ist? Ich meine: niemand.“
Liegt das Geheimnis für Gesundheit und Attraktivität im intuitiven Essen?
Uwe Knop: „Wer darauf eine Antwort geben kann und das „Geheimnis für Gesundheit und Attraktivität“ kennt, der wird der nächste Globale-Gesundheits-Guru! Attraktivität liegt ja ohnehin im subjektiven Auge des Betrachters. Und warum jemand gesund ist, das hängt immer von zahlreichen individuellen, komplex vernetzten Lebensstilfaktoren ab – Gene, gesellschaftlicher und finanzieller Status, Bildung, privater und beruflicher Stresslevel, Umwelt, sexuelle und generelle Zufriedenheit und natürlich zum Teil auch von der Ernährung. Zu allererst muss diese in punkto Nährstoffbedarf gesichert sein, was hierzulande – aber nicht überall – der Fall ist. Wenn man dann in diesem Schlaraffenland-Angebot intuitiv isst, d.h. auf seinen Körper hört und nur dann isst, wenn man wirklich Hunger hat, dann kann das sicher zu mehr Zufriedenheit und Wohlsein im Leben beitragen. Und je zufriedener, desto besser ist das auch für die Gesundheit.“
Wie kann ich lernen, auf mein Bauchgefühl zu hören?
Uwe Knop: „Essen Sie nur dann, wenn Sie den körperlich-biologischen Hunger spüren und zwar nur das, worauf Sie Lust haben, was Ihnen schmeckt und was sie gut vertragen. Der Hunger ist das zentrale Element. Je größer der Hunger, desto leckerer das Essen. Das kennt jeder. Wenn Sie das essenziellste Bedürfnis zur Lebenserhaltung, den Hunger, mit einem richtig köstlichen Essen befriedigen, dann belohnt Ihr Körper Sie mit diesem wohligen „Stöhnen aus der Tiefe des Bauches“. Sollte Ihnen dieses Gefühl eher unbekannt vorkommen, dann lernen Sie Ihren Hunger wieder kennen. Dazu reicht ein einfacher Tipp: Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie wirklich Hunger haben oder nur aus Routine oder „Gesundheitspropaganda“ z.B. morgens frühstücken, dann essen Sie einfach mal nichts – und reizen den Hunger aus, solange, bis sie ihn wieder richtig spüren. Und das werden Sie, da können Sie sicher sein – denn ohne Essen sterben wir. Und unser Körper wird dagegen mit absolut evolutionsbiologischer Sicherheit etwas unternehmen – das nennt man Hunger. Lassen Sie es sich also gut schmecken!“
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