Eine internationale, vom Imperial College London geleitete Studie, an der ein Netzwerk von mehr als 1.000 Forschern - unter anderem auch das Österreichische Akademische Institut für Ernährungsmedizin, ÖAIE - auf der ganzen Welt beteiligt war, ergab, dass der Body Mass Index (BMI) von 1985 bis 2017 bei Frauen weltweit durchschnittlich um 2 und bei Männern um 2,2 Punkte stieg. Umgerechnet wurden die Menschen durchschnittlich um 5 bis 6 Kilogramm schwerer.
Mehr als die Hälfte des weltweiten Anstiegs in diesen 33 Jahren fand in ländlichen Gebieten statt. In einigen Ländern mit durchschnittlich niedrigen und mittleren Einkommen machten ländliche Gebiete sogar mehr als 80 Prozent des Anstiegs aus. Für Kurt Widhalm, den Präsidenten des ÖAIE, zeigen diese Zahlen die drastische Fehlentwicklung der weltweiten und auch heimischen Ernährungsgewohnheiten auf.
Trendumkehr bei Geografie des BMI
Das Forscher-Team, das über einen Zeitraum von 33 Jahren Körpergröße und Gewicht von mehr als 112 Millionen Erwachsenen in städtischen und ländlichen Gebieten in rund 200 Staaten erhob, fand heraus, dass der durchschnittliche BMI in ländlichen Gebieten seit 1985 sowohl bei Frauen als auch bei Männern um 2,1 Punkte gestiegen ist. In den Städten betrug der Anstieg bei Frauen 1,3 und bei Männern 1,6 Punkte. "Diese neuen Erkenntnisse räumen mit der falschen Annahme auf, dass die Urbanisierung Hauptursache für den weltweiten Anstieg der Fettleibigkeit ist", erklärt Widhalm. Dieses neue Wissen muss nun auch in die Strategien im Kampf gegen die weltweite Pandemie "Fettleibigkeit" miteinfließen, fordert der Ernährungsmediziner. Österreich zählt gemeinsam mit Schweden, der Tschechischen Republik, Irland, Australien und den USA zu jenen Staaten, in denen die Differenz des BMI zwischen Männern aus ländlichen und städtischen Gebieten am größten ist. Durchschnittlich liegt der ländliche BMI um 0,35 Punkte höher als der städtische.
Für Widhalm erweisen sich die bisherigen Ernährungsempfehlungen in Form von sogenannten "Ernährungspyramiden" leider als ineffektiv in Bezug auf die Änderung von bestehenden Ernährungsgewohnheiten. "Das ÖAIE empfiehlt die Darstellung der Harvard Medical School - eines "gesunden Tellers" mit vier unterschiedlich großen Anteilen von Gemüse, Obst, Vollkorn- und Eiweißprodukten", sagt Widhalm.
Studie zeigt große Unterschiede zwischen armen und reichen Ländern
Die Forscher erkannten große Unterschiede zwischen Ländern mit hohem, mittlerem und niedrigem Einkommen. In Staaten mit hohem Einkommen zeigt die Studie, dass der BMI seit 1985 in ländlichen Gebieten generell angestiegen ist - insbesondere bei Frauen. Die Forscher weisen darauf hin, dass dies auf die Nachteile zurückzuführen ist, die Menschen außerhalb der Städte oft erleben: geringere Einkommen und Bildung, begrenzte Verfügbarkeit und höhere Preise für gesunde Lebensmittel sowie weniger Freizeit- und Sporteinrichtungen.
In Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen gibt es in ländlichen Gebieten eine Tendenz zu steigenden Einkünften, einer besseren Infrastruktur, einer zunehmend mechanisierten Landwirtschaft und einer stärkeren Nutzung von Kraftfahrzeugen, was zahlreiche gesundheitliche Vorteile mit sich bringt, aber auch zu geringeren Energiekosten und höheren Ausgaben für industriell verarbeiteten Lebensmittel führt, die von geringer Qualität sind, sofern keine ausreichenden Vorschriften vorliegen. All diese Faktoren tragen zu einer schnelleren Erhöhung des BMI in ländlichen Gebieten in Staaten mit niedrigem und mittlerem Einkommen bei.
Männer-BMI seit 1985 in jedem Land der Welt gestiegen
Bei den Männern stieg der durchschnittliche BMI in allen Ländern der Welt, wobei der größte Anstieg in St. Lucia, Bahrain, Peru, China, der Dominikanischen Republik und den USA um mehr als 3,1 Punkte stattfand. Die Menschen mit den höchsten BMI findet man geschlechtsübergreifend in Amerikanisch-Samoa im Südpazifik, wo Frauen einen durchschnittlichen BMI-Wert von 35,4 haben, und Männer 34,6.
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